Die meisten SchülerInnen am HGN haben ihn schon einmal in den Fluren unserer Schule gesehen. Paul ist ein ganz besonderer Schüler unserer Schule, denn er ist meist in seinem Rollstuhl unterwegs. Wie stellt sich denn aber sein Alltag am HGN konkret dar? Paul war bereit, mir einige Fragen zu beantworten:
- Seit wann bist du am HGN und warum hast du dich für unsere Schule entschieden?
Ich besuche das HGN schon seit dem Jahr 2016, nachdem ich dort als damaliger Fünftklässler eingeschult worden bin. Eigentlich glichen meine Motive, das HGN zu besuchen, denen aller Grundschulkinder. Zum einen haben alle meine Grundschulfreunde auch die Entscheidung getroffen, auf das HGN zu wechseln und natürlich ist es gerade in diesem Alter wichtig, dass man den Kontakt zu seinen Freunden hält, da sich in dieser Lebensphase ohnehin viel verändert. Zum anderen habe ich die Schule als ziemlich modern wahrgenommen, da sie auch durchaus Möglichkeiten für einen Rollstuhlfahrer bietet, uneingeschränkt seinen Schulalltag bestreiten zu können. Dazu gehören im Grunde banale Dinge wie ein Aufzug, mit dem jede Etage des Schulgebäudes zu erreichen ist, eine „Rollstuhlumkleide“ oder auch Rampen auf dem Schulhof, durch die man jegliche Treppen umgehen kann. Darüber hinaus habe ich in einem Gespräch mit Herrn Wilmsmann gemerkt, dass die Bereitschaft mich am HGN aufzunehmen sehr groß war, was mir im Vorhinein ein gutes Gefühl gegeben hat. Im Gegensatz zu vielen Schulen für „Körperbehinderte“ bietet das HGN natürlich zudem die Möglichkeit das Abitur zu absolvieren, was auch ein essentieller Indikator für mich war, auf diese Schule zu wechseln, denn wenn alles gut läuft, kann ich so eine große Bandbreite an Möglichkeiten für meine berufliche Zukunft in Erwägung ziehen.
- Wie wurdest du von deinen MitschülerInnen, aber auch von den LehrerInnen aufgenommen?
Menschlich habe ich mich am HGN von Anfang an sehr gut aufgehoben gefühlt. Wie bereits erwähnt, kannte ich einen großen Teil meiner Mitschüler bereits aus der Grundschulzeit, wodurch mir der Kontakt mit ihnen natürlich nicht schwerfiel, da wir uns schon vorher alle ziemlich gut verstanden haben. Darüber hinaus konnte ich aber auch mit Freude feststellen, dass auch diejenigen, die mich noch nicht kannten, vom ersten Tag an total offen mir gegenüber waren und wir einfach ein tolles Klassenklima hatten. Ich bin auch im Nachhinein immer noch sehr dankbar, dass diese leider nicht überall selbstverständliche Offenheit vorhanden war und ich beispielsweise auch in die Fußballspiele in der Pause aufgenommen wurde. Dort durfte ich dann immer auf Knien die Rolle des Torwarts bekleiden. Darüber hinaus erhalte ich auch Unterstützung durch eine „Integrationshilfe“, die mir bei vielen praktischen Aufgaben im Schulalltag hilft. Doch auch wenn diese einmal krankheitsbedingt ausfiel, erklärten sich viele meiner MitschülerInnen mit einer Selbstverständlichkeit bereit mir zu helfen, die mich bis heute noch beeindruckt.Zu den LehrerInnen kann ich nur sagen, dass sie mich wie jeden anderen Schüler auch behandelt haben, was aber wahrscheinlich das größte Kompliment ist, was man ihnen machen kann, da genau das nötig war, um in der Klassengemeinschaft integriert werden zu können.
- Was sind für dich im Alltag die größten Herausforderungen?
Leider gibt es in der Oberstufe, der ich mittlerweile angehöre, keine festen Klassenräume mehr, was bedeutet, dass nach jeder Unterrichtsstunde ein Raumwechsel ansteht. Das ist zwar glücklicherweise durch den Aufzug möglich, kann sich aber gleichzeitig auch gerade, wenn viele Personen auf den Aufzug angewiesen sind, als sehr zeitaufwendig herausstellen. Des Weiteren stellt es natürlich eine große Herausforderung dar, wenn der Aufzug einmal nicht einsatzfähig ist, was aber zum Glück nur in sehr selten der Fall gewesen ist.
- Was waren deine schönsten oder auch schlechtesten Erfahrungen bei uns?
Da kommen mir gleich mehrere Gedanken in den Sinn. Einmal natürlich die Sportstunde mit dem RollstuhlbasketballerInnen-Team im vergangenen Jahr. [Anm.: Der Bericht über diese Sportstunde der besonderen Art findet sich auch auf der Homepage.] Ich glaube, das war sowohl für meine MitschülerInnen als auch für mich eine total spannende Erfahrung, da alle den Sportunterricht aus einer ganz anderen Perspektive wahrgenommen haben. Meine MitschülerInnen stellten fest, dass schon Alltägliches wie ein Bordstein für einen Rollstuhlfahrer zu einem gigantischen Hindernis werden kann.Ich hingegen war mal derjenige, der sich nicht den anderen angepasst hat, sondern umgekehrt und ich habe es einfach genossen, ihnen bei ihren ersten ungeschickten Fahrversuchen behilflich sein zu können! Zusätzlich habe ich noch von einer anderen Erfahrung zu berichten, die mich ganz besonders beeindruckt hat: In der sechsten Klasse war es mir nämlich möglich, meine ausgebildete Assistenzhündin Buena mit in das HGN zu nehmen. Das war schon immer ein großer Wunsch von mir gewesen. Es zeigte sich dann auch gleich, was für einen großen Effekt ein Hund auf eine Klassengemeinschaft haben kann. Statt sich gleich auf meine Hündin zu stürzen, reagierten meine KlassenkamaradInnen sehr umsichtig, was dann auch die allgemeine Lautstärke in einer Art und Weise reguliert hat, die man so von Sechstklässlern nichterwarten kann. Noch heute erkundigt man sich bei mir, wie es denn meiner Hündin geht, was auch nochmal zeigt, dass sie nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Von schlechten Erfahrungen im Schulalltag kann ich tatsächlich nicht berichten!
- Wie sieht überhaupt ein normaler Schulalltag für dich aus?
Mein Schulalltag unterscheidet sich eigentlich gar nicht von dem der anderen SchülerInnen. Ich besuche ganz normal alle meine Kurse und kann auch uneingeschränkt daran teilnehmen. Während den Pausen ist es miraußerdem möglich, auf den Schulhof zu gelangen. Nur werde ich natürlich von meiner Integrationshilfe, Iris Most, überall hinbegleitet, auch in den Unterricht.
- Was macht eigentlich deine Begleiterin während des Unterrichts?
Sie unterstützt mich vornehmlich bei praktischen Dingen, wie den Schulranzen zu tragen oder meine Bücher herauszuholen, was für mich nicht, beziehungsweise nicht in der für den Schulalltag benötigten Geschwindigkeit machbar ist. Während des Unterrichts liest Iris viel, sie hat schon eine gigantische Menge an Büchern verschlungen!
- Wie läuft der Sportunterricht für dich ab?
Seit diesem Schuljahr nehme ich nicht mehr am Sportunterricht teil, stattdessen habe ich ein zusätzliches Fach. Das liegt nicht daran, dass ich nicht geeignet am Sportunterricht teilnehmen konnte oder keinen Spaß daran gefunden hätte. Im Gegenteil, die SportlehrerInnen haben immer versucht, auf mich einzugehen und in den Unterricht miteinzubeziehen, was sogar zur oben geschilderten Rollstullsportstunde im vergangenen Jahr geführt hat. Dennoch ist natürlich die Benotung meiner Leistungen nicht gerade leicht, was aber im Hinblick auf das Abitur zunehmend wichtig ist.
- Was machst du am liebsten in deiner Freizeit?
Ich gehe unglaublich gerne mit meiner Assistenzhündin spazieren und verbringe viel Zeit im Wald mit ihr. Ergänzend dazu habe ich neben „Rollstuhlbasketball“ auch angefangen „Rollstuhltischtennis“ zu spielen, da ich es als wichtig erachte, meine Möglichkeiten, sportlich aktiv zu sein, auch zu nutzen.
- Du bist ja ein sehr guter Schüler. Was möchtest du gerne nach dem Abitur machen?
Meine Idee für die nähere Zukunft ist es, nach einem freiwilligen sozialen Jahr an der Sporthochschule in Köln Sportjournalismus zu studieren und dann in diesem Bereich einen Beruf auszuüben, da ich im allgemeinen sehr sportbegeistert bin und eine große Freude daran hätte, dies in mein späteres Berufsleben einbringen zu können.
- Vielen Dank für deine Offenheit und viel Erfolg für die Zukunft!
Das Interview führte Andrea Bokelmann